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Vorkämpferin gegen die modernen Seelenfänger![]() DPA Seit 15 Jahren leitet Ursula Caberta die Hamburger „Arbeitsgruppe Scientology". Inzwischen ist sie zu Deutschlands profiliertester Gegnerin der Organisation geworden. Unter Scientologen gilt sie als der „getarnte Teufel". Daran wird sich wohl auch künftig nichts ändern. So kennt man Ursula Caberta. Wenn es um Scientology geht, redet sie sich rasch in Rage. Dann vergisst die 57-Jährige politische Rücksichtnahme und haut schon mal auf den Putz. So auch am Dienstag im Hamburger Rathaus, als sie vor den reichlich vertretenen Medien ihr kürzlich erschienenes „Schwarzbuch Scientology“ der Öffentlichkeit vorstellt. Mit viel Emotion in der Stimme schildert Caberta die Gefährlichkeit der umstrittenen Organisation und kritisiert zugleich – ebenso vehement – die jahrelange Tatenlosigkeit staatlicher Behörden. Da plötzlich erinnert sie sich, dass sie nicht allein auf dem Podium sitzt. Sie hält in ihrer Schimpfkanonade inne, dreht sich zu dem neben ihr sitzenden Hamburger Innensenator Udo Nagel um und macht eine entschuldigende Geste. Zu Recht, denn Hamburg ist bislang das einzige Bundesland, das sich eine „Arbeitsgruppe Scientology“ leistet, die als Beratungsstelle genauso fungiert wie als Anlaufstelle für jene Menschen, die bei der Organisation aussteigen wollen. Damit ist die Hansestadt seiner staatlichen Scientology-Beauftragten Vorbild für andere Bundesländer und das Feindbild Nummer eins der Organisation zugleich. Der damalige sozialdemokratische Innensenator Werner Hackmann hatte die Arbeitsgruppe im Oktober 1992 gegen Widerstände aus den eigenen Reihen eingerichtet. Vor fünf Jahren, zum zehnjährigen Jubiläum, glaubte Caberta noch, dass ihr Konzept aufgegangen sei. Und in der Tat konnte sich damals ihre Bilanz sehen lassen. Anfang der neunziger Jahre galt die Hamburger Gruppierung der Scientologen als die erfolgreichste der Welt. Damals habe die Organisation mittelbar etwa ein Drittel des Hamburger Immobilienmarkts kontrolliert, sagte Caberta. Zur Jahrtausendwende hingegen habe die einstige Hochburg in der amerikanischen Zentrale als Problemfall gegolten. Heute, fünf Jahre später, sieht Caberta das nicht mehr so gelassen. Zwar ist es um die Organisation inzwischen in der Hansestadt relativ ruhig geworden. Senator Nagel schätzt ihre Mitgliederzahl an der Elbe auf rund 750. Aber spätestens seit Scientology im vergangenen Jahr „Europa den Krieg erklärt“ habe, sei deutlich geworden, dass sich an der Gefährlichkeit der Organisation nichts geändert habe, sagt Caberta. Deshalb reicht es nach ihrer Meinung auch nicht mehr aus, Scientology „nur“ durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Vielmehr müsse wegen der Verfassungswidrigkeit der Organisation unbedingt bald ein Verbot her. Auch wenn Caberta heute mit einem Verbot das schärfste Schwert der Demokratie gegen Scientology auspacken will, so hat sie doch in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten viel erreicht. Zu ihren größten Erfolgen zählt sie selbst die Tatsache, dass sie das Wissen um Strategien und Gefährlichkeit von Scientology im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit verankern konnte. Allerdings könnte die resolute 57-Jährige auch auf andere Erfolge verweisen: Ihr Arbeitskreis war es, der 1993/94 die Schutzerklärung entwickelt hat, mit der jedermann überprüfen kann, ob es sich bei einem Gegenüber, bei Geschäftspartnern, Bewerbern oder Investoren, um Scientologen handelt. Das standardisierte Formular, in der potenzielle Mitglieder erklären sollen, nicht nach der „Technologie“ von L. Ron Hubbard zu arbeiten, fand erst Eingang in die Hamburger Verwaltung und wird mittlerweile bundesweit im Schulungsbereich eingesetzt. Ein gehöriger Anteil wird Caberta auch an der Entscheidung der Innenminister zugeschrieben, Scientology seit 1997 vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen – eine Beobachtung, die nachhaltig zur Schwächung der Organisation in Deutschland beigetragen haben dürfte. Damals noch SPD-Bürgerschaftsabgeordnete hatte Caberta Ende der achtziger Jahre als eine der Ersten die Explosivität des Themas erkannt. In der Fraktion fand sie einige Aktenordner zu Scientology und entschied: „Das sind jetzt meine.“ Ein Fraktionskollege habe ihr damals geraten, die Finger davon zu lassen, weil man „da nichts machen“ könne. „Das war der entscheidende Satz, der den Ausschlag für mein Engagement gab“, erzählte sie einmal. Geht nicht, gibt es für sie nicht. Mittlerweile ist die Hamburgerin mit ihrem Kampf gegen Scientology regelrecht verwachsen. „Caberta“, schrieb einmal der „Spiegel“ in einem Porträt über die „sinnenfrohe Schnodderschnauze“, „hat das Thema groß gemacht und das Thema sie“. Mit ihrer forschen, oft provozierenden und manchmal undiplomatischen Art eckte die geschiedene Mutter einer Tochter gelegentlich bei Gegnern wie Mitstreitern an. Auch ihre politischen Irrwege – nach dem Austritt aus der SPD heuerte sie kurzzeitig bei den Liberalen und später bei der WASG an – boten immer wieder Anlass für Kritik. Doch Zähigkeit, Ausdauer und Unerschrockenheit bescheinigen ihr selbst ihre Kritiker: So ließ sich Caberta nicht einschüchtern, als sie immer stärker selbst in die Schusslinie der Organisation geriet. Von den Scientologen zur „persona non grata“ erklärt, wurde die Hamburgerin bespitzelt, verleumdet und bedroht. Detektive hefteten sich an ihre Fersen, recherchierten im Umfeld und lauerten sogar Jugendfreunden auf. An ihrem Eifer, mit dem sie Scientology bekämpft, hat sich über die Jahre nichts geändert. Genauso intensiv widmet sie sich den „Opfern“, die unter größten Mühen den Ausstieg wagen. So meldete sich vor gut zwei Wochen die 14-jährige Stieftochter der Berliner Scientology-Direktorin bei Caberta und bat im Beisein ihres elf Jahre älteren Bruders um Unterstützung. Offenbar hatte das Mädchen nicht in ein dänisches Scientology-Internat geschickt werden wollen. Wer einmal Gefährte der Organisation sei, verliere rasch seine Eigenständigkeit, sagt Caberta. So würden Mitglieder „innerhalb der Organisation von einem normalen Menschen zu einem Rädchen innerhalb einer totalitären Organisation gemacht“. Im Zusammenhang mit Scientology verwendet die 57-Jährige Worte wie „umgedreht“ und „gehirngewaschen“. Wer aus der Organisation raus wolle, habe denn auch schwer zu kämpfen, meint Caberta. Der Lösungsprozess sei kompliziert und hänge nicht selten davon ab, wie hoch die Schulden seien. Aber: „Mit den Füßen raus, ist das eine. Der Kopf braucht länger“, sagt sie und verweist auf die „verheerende Wirkung“ der ideologischen Kurse. Angesichts der Konsequenz, mit der Caberta ihre Auseinandersetzung führt, verwundert es kaum, dass sie zum „größten anzunehmenden Feind“ von Scientology geworden ist, wie der Berliner „Tagesspiegel“ vor kurzem schrieb. Die Organisation versuchte mit Hilfe von Abmahnschreiben die Auslieferung des „Schwarzbuches“ zu stoppen und ein Sprecher kommentierte ihre jüngsten Auftritte in einer Mitteilung mit der Bemerkung „eine Frau außer Rand und Band“. Scientology-intern jedenfalls – so ist zu hören – ist nur vom „getarnten Teufel“ die Rede, wenn es um Caberta geht. |
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